Bei einem Alkoholiker ist nicht zwangsläufig von einer mangelnden Fähigkeit zur freien Willensbildung auszugehen

Eine unter Betreuung stehende Person braucht für eine Willenserklärung, die eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, wie etwa den Erwerb einer geringen Menge Alkohol, nicht der Einwilligung seines Betreuers, wenn nicht das Betreuungsgericht einen qualifizierten Einwilligungsvorbehalt ausgesprochen hat.


Hat das Betreuungsgericht einen qualifizierten Einwilligungsvorbehalt ausgesprochen, um den unter Betreuung Stehenden von dem Konsum von Alkohol abzuhalten, so muss der qualifizierte Einwilligungsvorbehalt geeignet und erforderlich sein, um den bezweckten Erfolg zu erreichen, mithin insgesamt verhältnismäßig sein.

Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. Vor der Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen, muss festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Die beiden dafür entscheidenden Kriterien sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor.

Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider einer Entscheidung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Eine bestehende Alkoholabhängigkeit lässt für sich genommen noch nicht darauf schließen, dass die Einsichtsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass auf eine mangelnde Fähigkeit zur freien Willensbildung geschlossen werden kann.
 
Bundesgerichtshof, Urteil BGH XII ZB 458 15 vom 07.12.2016
Normen: BGB § 1903 Abs. 1 und Abs. 3
[bns]